Vii. Aus der Erdkunde
222. Flöhrrei auf der Ifar.
1. Unter den Flüssen, die die Mauern deutscher Städte durchrauschen,
hat die Isar, das Gewässer der bayrischen Hauptstadt, ihre besondere Art.
Bis unter die Brückenbogen der Stadt hinein ist sie ein wilder, blaugrüner
Bergstrom geblieben, spielend mit kristallklaren Wellchen in mancher Jahres-
zeit; ein andermal wieder nüt graugelben Wirbeln dahertosend, als wollte
sie die Ufer verschlingen. Und in der Tat gelang es ihr vor wenigen
Jahren noch, zwei schöne, neue Brücken umzuwerfen und deren Trümmer
talabwärts zu reißen, obwohl man seit Menschenaltern bemüht war, ihre
Wildheit zu bekämpfen mit allen Mitteln alter und neuer Kunst.
Ihr Rücken trägt keine Schiffe außer denen, die das Flußbauamt
zur Ausführung von Strombauten braucht. Die einzigen Fahrzeuge, die
den Strom beleben, sind die Flöße, die auf ihm aus dem Hochgebirge
herunterschwimmen. Die Jsarflößerei ist ein altes Verkehrsmittel und war
weit wichtiger für die Stadt München vor dem Zeitalter der Eisenbahnen
und der guten Landstraßen.
Die Isar hat ihren Ursprung in wilden Hochgebirgsbächen, die aus
den grausig schönen Felsentälern des Karwendelgebirges hervorbrechen.
Für Flöße fahrbar wird sie bei dem einst vielumkämpften Bergpaß der
Scharnitz an der Grenze von Bayern und Tirol. Die eigentliche Flößerei
aber beginnt ein paar Stunden weiter stromabwärts bei dem schönen,
bayrischen Marktflecken Mittenwald. Der war schon gegen das Ende des
Mittelalters ein wichtiger Platz für den Grenzverkehr Damals wurden
allerhand Waren, die aus dem Süden durch Tirol gebracht worden waren,
auf Flöße verladen und nach Bayern herausgebracht. Heute dient die
Flößerei fast nur dem Holzgeschäft. Die ungeheuren Waldungen, die den
ganzen Oberlauf der Isar begleiten, konnten Jahrhunderte hindurch gar
nicht anders nutzbar gemacht werden als mittels der Fahrbahn, die der
Strom darbot. Sie machte es möglich, die schlanken Hochwaldstämme, die
in den einsamen Bergtälern des Grenzlandes gewachsen waren, hinab-
schwimmen zu lassen nach München und Landshut und weiterhin in die
Donau nach Linz und Wien, so daß mancher dieser schönen Hochwald-
stämme in einen Wiener Dachstuhl eingefügt ward.
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Extrahierte Ortsnamen: Scharnitz Bayern Mittenwald Bayern München Donau Linz Wien Hochwald-
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Das Schiff hat inzwischen eine große Strecke auf dem See zurück-
gelegt. Nach links hat sich der Blick in den Küßnacher See geöffnet,
und auch nach rechts können wir jetzt in eine andere Bucht des vielgestaltigen
Sees hineinblicken. So befinden wir uns gleichsam auf der Mitte eines
Kreuzes, von wo aus sich nach vier Seiten hin die Buchten öffnen. Die
Berge, die diese trennen, erscheinen wie riesige Nasen, die in den See
vorgestreckt sind. Vor uns scheinen zwei felsige Vorgebirge, vom Volks-
munde wirklich die beiden Nasen genannt, die Wasserfläche vollständig ab-
zuschließen. Doch bald zeigt sich zwischen ihnen ein hell schimmernder
Spalt; dieser wird breiter und breiter, und eine neue Bucht des Sees
blitzt vor uns auf. In dem nun breit geöffneten Spalt wird in der Ferne
ein schneebedecktes Bergeshaupt sichtbar, der Titlis. Während wir auf
diesen unser Auge richten, beginnt er sich seltsam zu färben. Ein prächtiger
Farbenhauch übergießt ihn, kräftiger wird das Not und leuchtender zugleich.
Es ist das erste Strahlen der aufgehenden Sonne, das Alpenglühen,
das zuweilen so herrlich die Schweizerberge morgens und abends malt.
Auch andere Schneeberge beginnen sich jetzt zu färben. Überall zeigt sich
die flammende Nöte; sie rückt tiefer und tiefer, und auch die näheren Berg-
wände werden von ihr übergössen. Aber die fernen Berge beginnen schon
zu bleichen. Viel zu schnell ist das herrliche Schauspiel vorbei: das duftige
Rot floh vor der Fülle des Lichts, mit dem jetzt die hinter den Bergen
hervorbrechende Sonne die Landschaft überflutet.
2. Wir haben die Schiffsstation Vitznau, wo wir das Dampfschiff ver-
lassen müssen, erreicht, und bald sitzen wir in einem Zuge der Zahnradbahn,
die zur Spitze des Rigi hinaufführt.
Während der Fahrt können wir ziemlich frei um uns blicken. Die
Häuser des Ortes Vitznau, der baumbesetzte Bergabhang, die Matten, die
Alpenhütten auf diesem versinken unter uns, und vor uns blitzt in der
Tiefe der Vierwaldstätter See auf Drüben die Berge, die auf der
anderen Seite der Seefläche aufragen, erscheinen noch riesenhaft. Aber
je höher wir selbst steigen, desto niedriger werden sie, und mit andern
Bildern füllt sich der freiwerdende Raum. Nacheinander öffnen sich die
Buchten des Sees; über die felsigen Vorgebirge dringt der Blick in sie
hinein, und zugleich wird die Aussicht auf hohe Berge der Ferne und in
die tiefen Schluchten zwischen diesen frei. Als würde ein halbdurchsichtiger
Schleier von unsern Augen fortgezogen, so entfaltet sich allmählich das
Gemälde der Landschaft. Nur jene lichten Formen am fernsten Horizont
wissen wir noch nicht recht zu deuten. Doch bloß der Zweifel bannte unser
Sehen Welches Auge vermöchte solche Majestät gleich zu erfassen! Sind
jene Gebilde Wolken, die am fernen Horizont hängen, oder sind sie Berge,
die vom Schnee und Eis mit solch lichtem Gewände bekleidet wurden?
Dietleins Deutsches Lesebuch. Ausg. v. Teil Iii. 3. Aufl. 26
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be§ erhabenen Baues. Das unter dem Chore befindliche Gewölbe, die
Krypta, in welcher am Karfreitag Gottesdienst gehalten wird, und die
der Sage nach schon von Karl dem Großen herrührt, stellt das heilige
Grab dar. Die schöne Steinkanzel und die Kapelle des heiligen Lauren-
tius fesseln die Aufmerksamkeit des Beschauers.
Das merkwürdigste Kunstwerk im Innern ist die berühmte Uhr, welche
Isaak Habrecht aus Schaffhausen von 1270—1274 verfertigte. Nachdem
sie lange Zeit still gestanden hatte, wurde sie von einem geschickten Mecha-
niker wieder in Gang gebracht. Die Uhr ist merkwürdig zusammengesetzt.
Eine Menge Figuren bewegen sich und schlagen sowohl die Viertel- als
die ganzen Stunden auf kleinen Glocken an; zugleich werden der verschie-
dene Stand der Planeten, der Sonne und des Mondes, die Jahreszeiten
und eine Menge anderer Erscheinungen aus der Sternkunde veranschaulicht.
Nach Erwins Plane sollte das Münster zwei Türme erhalten; doch
ist nur der eine, nach Norden gelegene, vollendet worden. Das Aufsteigen
bis zur Plattform ist bequem. Auf ihr erhebt sich kühn der obere
Turmteil, eine völlig durchbrochene Pyramide, an welcher in ebenfalls
durchsichtigen Türmchen vier Wendeltreppen zur Galerie des ersten Stock-
werks führen. Von dieser Stelle aus spitzt sich der Helm zu, acht Wendel-
treppen reichen zur Krone hinauf, über welche sich noch das Kreuz mit
dem achteckigen Knopfe erhebt.
Lesebuch f. kath. Volksschulen (Verl, von W. Crüwell).
226. Unsere Fahrt aus den Rigi.
1. Es ist früher Morgen. Nur der Ton des Dampfschiffes, das am
Seegestade von Luzern zur Abfahrt bereitliegt, unterbricht plötzlich die
Morgenstille. Zahlreiche Touristen, die gleich uns zum Rigi wollen, haben
sich auf dem Verdeck versammelt. Bald ist das Schiff in voller Fahrt,
und unsere Augen eilen über die weite Wasserfläche des Sees zu den
formenreichen Bildern, die dessen Gestade umgeben. Der Morgenwind
trägt eines Glöckleins Hellen Klang zu uns herüber, und eines Älplers
frühes Blasen weckt das Echo in den Bergen. Auf diesen liegt noch das
Halbdunkel des aufdämmernden Tages. Wie dunkle Gestalten stehen sie
da, ernst und schweigend, den Saum ihrer faltigen Mäntel in die ruhigen
Fluten des Sees tauchend. Über den Häusern und Türmen der Stadt
Luzern hängen noch die Morgennebel. Heller und heller wird es über
dem Wasser. Immer mehr Einzelheiten zeigen sich in dem weit reichenden
Bilde, und aus dem Morgengrau lösen sich allmählich deutliche Farbtöne
ab. Aber noch zuckte kein Strahl der Sonne durch der Landschaft weiten
Raum.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Isaak_Habrecht Isaak W._Crüwell